1. Die Teich- und Flussmuscheln leben größtenteils eingegraben am Gewässerboden und filtrieren mit ihren Kiemen erhebliche Wassermengen. In die Öffnung hineinragende Fortsätze sollen das Eindringen größerer Partikeln verhindern, die Ausstromöffnung hat derartige Strukturen nicht.

Harte Schalen – weicher Kern

Für viele Naturfreund*innen ist schon seit dem frühen Kindesalter das „Muschelsammeln“ fester Bestandteil eines erholsamen Urlaubs an den Stränden der Nord- und Ostsee. Fast Jede*r bringt einzelne, manchmal ganze Gläser voll Muscheln und Schnecken mit nach Hause – als Erinnerung an eine schöne Auszeit am Meer. Aber auch in unseren Binnengewässern leben – vielfach unbekannt und überraschend – zahlreich interessante Arten. Neben den großen Fluss- und Teichmuscheln gibt es zudem Erbsen-, Kugel-, Zebra- und Körbchenmuscheln. Teilweise erreichen diese Tiere Längen bis zu 30 Zentimeter, die meisten Arten sind aber sehr viel kleiner. Muscheln haben eine enorme Bedeutung, sowohl was ihre Rolle bei der Selbstreinigung der Binnengewässer betrifft, aber auch als bedeutende Nahrungsquelle für zahlreiche Fressfeinde.

So finden sich in größeren Flüssen wie Elbe oder Weser seit einigen Jahren dicke Lagen von Muschelschalen. Diese bestehen fast nur aus zwei Arten, der Grobgerippten bzw. der Feingerippten Körbchenmuschel Corbicula fluminea bzw. C. fluminalis. Seit Mitte der 1990er Jahre sind diese Arten aus Südost-Asien nach Europa eingeschleppt worden und bilden mittlerweile Massenvorkommen in vielen großen Fließgewässern. 

Konkurrenz unter Weichtieren

Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wanderte die unter verschiedenen Namen bekannte Zebra-, Dreikant oder Wandermuschel Dreissena polymorpha aus der Region des Schwarzen Meeres ein. Mit Haftfäden setzen sich diese Tiere dicht an dicht auf Hartsubstraten fest und können flächendeckend Steine, Wurzeln oder Kaimauern eines Gewässers bedecken. Selbst andere Muscheln oder lebende Flusskrebse werden besiedelt. Wandermuscheln finden sich heute in allen größeren stehenden und langsam fließenden Gewässern. Sie stellen eine sehr wichtige Nahrungsquelle für Reiherenten sowie andere Wasservögel dar. Aktuell kommt es zu einem Verdrängungsprozess in unseren Gewässern durch eine verwandte Art, der Quagga-Muschel D. bugensis, die sich innerhalb der letzten Jahre explosionsartig ausbreitet und bereits vielerorts ihre Schwesterart verdrängt hat.

Enorme Bedeutung

Die großen bis zu 40 Jahre alt werdenden einheimischen Vertreter der Teich- und Flussmuscheln leben filtrierend am Boden von Fließ- und Stillgewässern. Sie ernähren sich wie alle anderen Muscheln von Plankton und anderen organischen Partikeln. Eine Teichmuschel kann übrigens pro Tag (an­dere Quellen sprechen von pro Stunde) bis zu 40 Liter Wasser filtern – eine enorm wichtige Reinigungsfunktion im Ökosystem der Gewässer. 

Große stehende aber auch langsam fließende Gewässer mit sandigem oder schlammigem Boden werden von der langgestreckten Unio pictorum besiedelt. Sie wird auch Malermuschel genannt, denn angeblich haben früher Künstler die leeren Schalen zum Mischen ihrer Farben genutzt. Die mehr eiförmige Aufgeblasene Flussmuschel Unio tumidus  kommt vor allem in Fließgewässern vor und ist im Norden mit die häufigste Flussmuschelart. Die Bachmuschel Unio crassus lebt in sauerstoffreichen, naturnahen Fließgewässern und ist bei uns mittlerweile sehr stark bedroht. Flussmuscheln sind auffällig dickschalig, ihre beiden Schalenhälften sind mit einem stabilisierenden Gelenk, dem Schloss verbunden. Dies weist auf ihren strömungsbewegten Lebensraum hin.

Überwiegend in stehenden Gewässern lebt die Gemeine Teichmuschel Anodonta anatina. Ihre Schalen sind viel dünnwandiger als die Schalen der drei Flussmuschel-Arten. Ihre Vorkommen liegen in Gewässern ohne viel Strömung und Bewegung des Sedimentes. Auch das Fehlen eines Schalenschlosses zur Stabilisierung der beiden Schalenhälften weist darauf hin („anodonta“ – ohne Zähne). Die Schalen der Großen Teichmuscheln A. cygnea können bis zu 30 cm lang werden. Die Abgeplattete Teichmuschel Pseudanodonta complanata gehört leider ebenfalls zu den bei uns sehr selten gewordenen Arten. 

Spektakuläre Fortpflanzung

Fluss- und Teichmuscheln durchleben in ihrer Entwicklung ein parasitisches Larvenstadium. Zur Paarungszeit, meist im Spätsommer, werden Eizellen vom Eierstock der weiblichen Muschel in ihre blattartigen Kiemen transportiert. Die etwas später vom Männchen ins Wasser entlassenen Samenzellen werden vom Weibchen eingeatmet und befruchten in den Kiemen die Eier der weiblichen Muschel. Dort entwickeln sich aus den befruchteten Eiern die Larven. Eine Weiterentwicklung zur Jungmuschel ist aber erst dann möglich, wenn es den Larven gelingt, sich anschließend im Gewebe (vor allem der Kiemen) eines vorbeischwimmenden, geeigneten Fisches einzunisten. Nur sehr, sehr wenigen der bis zu 4 Millionen Larven einer Muschel gelingt dies, ohne vom Immunsystem des Fisches abgestoßen zu werden. Manche Muschelarten, so wie die über 100 Jahre alt werdende Flussperlmuschel – nördlichste Vorkommen in der Lüneburger Heide – sind sehr spezialisiert  in Bezug auf die für eine erfolgreiche Larvenentwicklung erforderliche Wirtsfischart – hier ist ausschließlich die Bachforelle notwendig –, andere Fluss- und Teichmuscheln können mehrere Fischarten erfolgreich infizieren. Aus den Larven entstehen kleine Jungmuscheln, die sich nach einiger Zeit aus dem Gewebe des Wirtsfisches lösen und im Lückensystem des Gewässerbodens nach mehreren Jahren zu einer geschlechtsreifen  Muschel heranreifen.

Vielfältige Gefährdungsursachen

Teich- und Flussmuscheln können übrigens, im Schlamm eingegraben, bis zu zwei Monate Trockenfallen überdauern. Sie sind auch in der Lage, sich auf dem Gewässerboden fortbewegen. Mit ihrem Fuß graben sie sich in den Schlamm und ziehen den Körper nach. Wesentliche Gefährdungsursachen der heimischen Muscheln sind die Eutrophierung der Gewässer durch Überdüngung sowie Schadstoffeinträge. Massiver Gewässerausbau und -unterhaltung hat zudem viele Muschelpopulationen in Mitleidenschaft gezogen. Auch durch starke Sedimenteinträge setzt sich auch das so wichtige Lückensystem in der Gewässersohle zu.

Nichts für die Speisekarte

In der menschlichen Ernährung spielen ­Süßwassermuscheln keine Rolle. Bisam oder Nutria – eigentlich Pflanzenfresser – nehmen aber bei nicht ausreichendem pflanz­lichem Nahrungsangebot gerne Großmuscheln zu sich. Der eigentlich auf Fische spezialisierte Fischotter macht dies auch mal. Desweiteren erbeuten auch zahlreiche Vogelarten gerne die Zweiklapper. Die Weibchen des kleinen, zu den Karpfen zählenden Bitterlings hingegen legen die Eier im Inneren einer der großen Süßwassermuschel ab, damit sich die Jungen dort geschützt entwickeln können.


Kontakt

NABU Schleswig-Holstein 
Carsten Pusch
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Text: Carsten Pusch · Fotos: Carsten Pusch (3, 4), Christiane Krambeck (1, 2, 5)