„Die Einsamkeit ist das größte Problem in dieser Pandemie“

Chefärztin Dr. Verena Hilmer-Krywka von den AMEOS Klinika Kiel und Preetz sieht in der Corona-Pandemie weiterhin eine große Herausforderung und eine Verschlimmerung der bereits bestehenden psychischen Erkrankungen.

Anfängliche Rückzugsphase in Zeiten von Corona

„In Zeiten des harten Lockdowns konnten wir in der Klinik Preetz feststellen, dass ein Zulauf der Patient*innen initial weniger wurde, da viele wenn möglich Krankenhausaufenthalte vermieden haben. Jeder der es noch einigermaßen ausgehalten hat, blieb sozusagen Zuhause und hatte sich letztendlich zurückgezogen, um niemanden zu begegnen. Menschen, die ohnehin schon eine psychiatrische Thematik haben, tendieren eher zu größerer Ängstlichkeit, und das ­Thema Corona hat eine Überwertigkeit erfahren. Wir haben tatsächlich auch gemerkt, dass aus den Seniorenheimen weniger Patient*innen zu uns gekommen sind. In der Suchtklinik Kiel wurde kein Belegungsrückgang festgestellt, weil vermutlich die Suchtpatienten wesentlich existentiellere Probleme haben und Corona dort keine tragende Rolle im Bewusstsein spielt“, berichtet Frau Dr. Verena Hilmer-Krywka. 

Der Handlungsbedarf und die Zahl der Menschen, die infolge dieser langen Corona-Pandemie psychologische Hilfe benötigen, nehmen nun stetig zu. Diesen Zulauf betrifft ebenfalls der Gerontopsychiatrische Bereich. Diesen aktuellen Trend beobachtet die Chefärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. „Wir haben zum Teil auch ältere Pa­tient*innen aufgenommen, die von Ihren Angehörigen gebracht wurden, weil sich der gesundheitliche Zustand mit der langen Einsamkeit und sozialen Isolation sehr verschlechterte“, schildert die Chefärztin.

Bedauerliche Entwicklungen sind der Alkoholkonsum

„Wir beobachten aktuell eine Zunahme an Alkoholmissbrauch. Oftmals sind gerade ältere Menschen betroffen, die alleinstehend sind. Aus Angst vor einer Ansteckung ziehen sich die Betroffenen zurück und auch ihre sozialen Zusammenkünfte wie bespiels­weise Seniorenkreise, Rehasport oder Gottesdienste fallen aus, zu denen sie sonst das Haus verlassen haben. Die Einsamkeit führt zum Grübeln, woraus sich oftmals eine ­Depression entwickeln kann. Auf diese Weise rutschen aktuell vor allem alleinstehende Menschen, die ihr ganzes Leben keine Probleme mit dem Alkohol hatten, in eine Suchtproblematik hinein“, berichtet Frau Dr. Hilmer-Krywka von ihren Erfahrungen.

Dr. Verena Hilmer-Krywka 
leitet seit Oktober 2020 die AMEOS Klinikstandorte in Preetz und Kiel. Vorher war sie Chefärztin in der AMEOS Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige und für Psychosomatik in Ratzeburg. Sie stammt aus München, hat dort ihr Medizinstudium 2006 erfolgreich beendet. Nach ihrer Tätigkeit als Akademische Rätin auf Zeit am Institut für physiologische Genomik der Ludwig-Maximilians-Universität München, wechselte sie an das Isar-Amper-Klinikum, Klinikum München-Ost, wo sie ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und zur Fachärztin für Neurologie absolvierte. 2011 erhielt sie die Zusatzbezeichnung Suchtmedizinische Grundversorgung, 2016 die Zusatzbezeichnung fachbezogene genetische Beratung und 2018 die Zusatzbezeichnung Psychoanalyse.

Warten Sie nicht zu lange!

„Wichtig ist, dass die Betroffenen rechtzeitig zu uns kommen und nicht zu lange warten. Wir merken, dass viele Menschen sehr spät Hilfe aufsuchen und dadurch einen schwereren Verlauf erleben“, betont Hilmer-Krywka. „Es gibt ein Corona-Schutzkonzept und die Patient*innen werden bei der Aufnahme natürlich getestet. Es braucht also niemand Angst zu haben, zu uns zu kommen“, so die Chefärztin. Die Therapieangebote wurden entsprechend den Schutz- und Hygienemaßgaben ebenfalls angepasst. 

Ergänzendes Angebot für psychisch erkrankte Eltern in Neustadt

Das AMEOS Klinikum Neustadt behandelt psychisch erkrankte Mütter und Väter mit einem vielfältigen Behandlungs- und Therapieprogramm sowie unterstützt bei wichtigen Erziehungsaufgaben. Elternteile, die an einer Depression, Angst- oder Zwangsstörung oder einer anderen psychischen Erkrankung leiden und trotz Erkrankung die Beziehung zu ihrem Kind stärken möchten, können ihr Kleinkind (1 bis 6 Jahre) in die Klinik mitbringen. Das Angebot richtet sich vorzugsweise an psychisch kranke Mütter/Väter aus der Region Ostholstein und Lübeck. Bei freien Kapazitäten können auch Patient*innen aus anderen Regionen aufgenommen werden.

Offene Sprechstunde im AMEOS Klinikum Kiel

„Ich brauche jetzt Hilfe und nicht erst in ein paar Monaten!“ Da es derzeit schwer ist, kurzfristige Termine bei ambulanten Psychotherapeuten und Psychiatern zu erhalten, bietet das AMEOS Klinikum Kiel seit dem 1. März eine offene allgemeinpsychiatrische Sprechstunde an. Das Angebot richtet sich an psychisch erkrankte Menschen, die noch keine Anbindung an ein psychiatrisches ­Behandlungsangebot haben. Patient*innen können sich ohne vorherige Anmeldung jeden Donnerstag von 8.00 bis 10.00 Uhr in der Psychiatrischen Institutsambulanz vorstellen.


Kontakt

Offene Sprechstunde im AMEOS Klinikum Kiel
Donnerstags 8.00–10.00 Uhr
Psychiatrischen Institutsambulanz
Tiroler Ring 621–623
24147 Kiel
Telefon 0431 780 53-33


Text & Foto: AMEOS