© Martin Altemüller/NABU

Vogelschutz am Ostseestrand

Sandregenpfeifer sind emsige Gesellen. Sie rennen geschäftig am Ufer hin und her und stoppen immer wieder abrupt, um Nahrung aufzupicken. Sie besitzen ein auffällig hübsches, kontrastreiches Federkleid. Wenn sie nicht gerade über den Strand flitzen, sind sie damit vor Feinden recht gut getarnt, was jedoch in Anbetracht aller lauernden Gefahren zum Überleben auf Dauer nicht reicht. An der Ostseeküste südlich von Eckernförde wurden zwei Frauen aktiv und starteten ein Projekt zur Rettung der Sandregenpfeifer.

Der Sandregenpfeifer ist sehr anpassungsfähig und lässt sich von der Anwesenheit von Menschen und sogar Hunden langfristig nicht besonders abschrecken. Standorttreu versucht er sein Nest eher zu verteidigen oder Feinde davon abzulenken. An Küstenabschnitten, an denen viel Trubel herrscht, liegt die Fluchtdistanz teils unter 10 Metern. „Ein Vogel mit Löwenmut“ konstatierte einmal sehr passend Britta Michelsen, NABU-Aktive im Naturschutzgebiet „Kleiner Binnensee“ an der Ostsee bei Lütjenburg. Dieser Löwenmut erweist sich in vielen touristisch geprägten Gebieten jedoch als großes Problem, denn die gut getarnten Gelege mitten auf dem Strand werden von ahnungslosen Strandbesucher*innen leider allzu oft zertreten. Dies gilt auch für die besonders gut getarnten Küken, die sich bei Gefahr wegducken, regungslos verharren und dann wie ein runder Stein anmuten. Ein weiteres großes Problem sind Prädatoren – also Räuber wie z. B. Möwen, Krähen und Füchse. Auch Überflutungen stellen eine Gefahr dar.

Neue Initiative für den Schutz der Sandregenpfeifer

Dieses Szenario kennt auch Maren Hahlbeck in all seinen Ausprägungen. Als naturinteressiertes Mitglied des NABU Eckernförde hat sie das Schicksal der wenigen Sandregenpfeifer vor ihrer Haustür in Surendorf (Gemeinde Schwedeneck) beobachtet. Dort im FFH-Gebiet „Südküste der Eckernförder Bucht und vorgelagerte Flachgründe“ wurde sie gemeinsam mit Judith Ortmeier aktiv, die ihre Kollegin in der Startphase unterstützte. Mittlerweile ist Maren Hahlbeck Expertin für „ihre“ Sandregenpfeifer, denen sie einen großen Teil ihrer Freizeit widmet.

Während in anderen Teilen des FFH-Gebietes die Brutversuche einmal an Tourist*innen mit freilaufenden Hunden und ein anderes Mal an einem Sperber scheiterten, hatten die Frauen am Strand von Surendorf sowie vor dem Naturschutzgebiet „Bewaldete Düne Noer“ zunächst Erfolg.

Bundeswehrdienststelle unterstützt Maßnahmen

Ein Teil der Küste vor Surendorf gehört zu einem Sperrgebiet der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr (WTD 71). Diese zeigte sich äußerst kooperativ für den Sandregenpfeiferschutz. Es durfte im Gelände ein Schutzzaun errichtet werden, der bereits im ersten Jahr von den Vögeln gut angenommen wurde, so dass vier Küken flügge wurden.

2021 konnte ein weiterer Bereich eingezäunt werden. Die Tiere schienen erkannt zu haben, dass die Absperrung den Jungen Schutz bietet. Wenn die Wasserkante durch Spaziergänger stark frequentiert war, lockten die Alten die frisch geschlüpften Küken, die am Wasser bevorzugt nach Fliegen und Insekten suchten, in den abgesperrten Bereich zurück.

Insgesamt gab es zwei Brutpaare und drei Brutversuche. Das Brutjahr war geprägt von ständigen Höhen und Tiefen, Hoffen und Bangen. Mit Zaunumsetzungen wurde z.B. gegen das Hochwasser gekämpft. Leider wurde trotz der Bemühungen in 2021 bei acht Küken nur ein einziges Jungtier flügge. Da braucht es viel Geduld, Tatkraft und Leidenschaft, die ehrenamtliche Arbeit fortzusetzen.

Großen Anteil am Schwund hatte ein Turmfalke, der es in dem schlechten Mäusejahr verstärkt auf andere Brutvögel abgesehen hatte. Hahlbeck hat aber auch ein Mauswiesel in Verdacht, das es auch in den Schutzkorb schafft. Die Körbe können die Gelege und Küken schützen, sind jedoch nicht unumstritten, da die für den Fortbestand der Art wertvollen Altvögel sich bei einem Angriff auch verletzen können, wenn sie in Panik nicht schnell genug hinausgelangen.

2022 werden an den stark touristisch genutzten Abschnitten erneut die kleinen Zäune sowie Schilder aufgestellt, um das Zertreten von Küken und Eiern zu verhindern und Ruhezonen herzustellen. Die vom Aussterben bedrohten Vögel nehmen die Ruhezone sofort an. Eierdiebstähle werden überall häufig beobachtet. Gegen Krähen und Möwen haben sich die Schutzkörbe bewährt, nicht jedoch z. B. gegen Marder und Ratten. Der Turmfalke ist wieder der größte Räuber und dezimiert die Jungvögel enorm. Ein weiteres Problem sind die Spazier­gänger*innen, die bei Hochwasser nahe an die Vogelgelege kommen. Einige Menschen laufen sogar durch die geschützten Dünen oder betrachten diese als ihren Privatstrand, an dem man es sich mit Badehandtuch bequem machen kann.

Volle Strände und freilaufende Hunde gefährden Strandbrüter

Am Standort Hohenhain sind freilaufende Hunde ein großes Problem. Einige stellen den Vögeln sogar gezielt nach und es kommt zu unschönen Jagdszenen. Es gibt dort zur Brutzeit regen Badebetrieb – besonders an Tagen mit hohen Temperaturen. An einem Tag mit 36 °C wird beobachtet, dass der Strand aufgrund der Menschenmassen so dicht ist, dass die Sandregenpfeifer den gesamten Tag bis abends 21.30 Uhr komplett in ihrer Schutzzone bleiben und diese nicht bzw. nur sehr kurz zum Fressen an der Wasserkante verlassen. Einer Regenperiode ist es zu verdanken, dass dennoch zwei Sandregenpfeifer flügge werden. Ein wichtiger Erfolg, denn für die Arterhaltung ist jedes einzelne Tier von Wichtigkeit.

Im Naturschutzgebiet „Bewaldete Düne ­Noer“ werden mit dem dortigen NABU Schutzgebietsreferenten ein Schutzzaun und Schilder aufgestellt, die insbesondere Kiter*innen warnen. Bei guten Windverhältnissen findet hier ein erheblicher Betrieb statt, wobei nicht auf die Grenze zum Schutzgebiet geachtet wird. Nichtsahnend ziehen die Sportler*innen ihre Kites für den Start an der Wasserkante zunächst über den Strand, wobei Nester oder Jungvögel zerstört werden. Dies wird nun verhindert. Trotz Prädation werden daher in diesem Bereich gleich vier Küken flügge. Ein weiteres Brutpaar hat an einer weniger stark frequentierten Bucht dahinter Bruterfolg, so dass sich Maren Hahlbeck nach aller Mühe am Ende des Brutjahres über das sensationelle Ergebnis von acht flüggen Jungtieren freuen kann.

Im aktuellen Jahr freut sich die Betreuerin, dass die Sandregenpfeifer Ende März alle wieder eingetroffen sind und standorttreu ihre Reviere besetzen. Und wenn Maren Hahlbeck sich etwas wünschen darf, so soll in Zukunft zumindest in den europäischen Natura 2000-Gebieten an unserer Küste für die bedrohten Sandregenpfeifer der Schutz mit Maßnahmen umgesetzt werden, der den Vögeln auf dem Papier schon lange zusteht.


Kontakt

NABU Schleswig-Holstein
Dagmar Struß
Leiterin NABU Landesstelle Ostseeschutz
dagmar.struss@nabu-sh.de
www.nabu-sh.de


Text: NABU Schleswig-Holstein