Eigentlich Einzelgänger: Junge und alte Weinbergschnecke bei zufälligem Treffen.

Alles im Schneckentempo

Eines unserer eindrucksvollsten Weichtiere ist die Weinbergschnecke Helix pomatia. Im feuchten Frühjahr oder in der Dämmerung der Sommerabende kommen die Gehäuseschnecken aus den Verstecken auf der Suche nach Nahrung und Geschlechtspartnern. Ausgewachsene Exemplare können bis zu zehn Zentimeter lang und etwa 30 Gramm schwer werden, die Gehäuse erreichen dabei einen Durchmesser von drei bis fünf Zentimeter. In der freien Natur werden die Tiere knapp zehn Jahren alt, in Haltung sollen bis zu 30 Jahre möglich sein. Weinbergschnecken ernähren sich von weichen, welken Pflanzenteilen sowie Algenbewüchsen, die sie mit der Raspelzunge, der sogenannten Radula, mit ihren rund 40.000 Zähnchen abweiden.

Schleimiges Fortkommen

Die Weinbergschnecke gehört zur Gruppe der Gastropoden, den „Magenfüßern“. Mit ihrem muskulösen Kriechfuß bewegt sich die Schnecke mit ausgetreckten Fühlern, sich selber eine feuchte Schleimspur legend – und hinterlassend – über den Boden. Bei Gefahr zieht sich das Tier ins Schneckenhaus zurück. Gut acht Zentimeter in der Minute kann das „Schneckentempo“ betragen. Der lebenswichtige Schleim der Schnecke besteht vor allem aus Wasser, Proteinen und Zuckern. Dieser kann schnell viel Wasser aufnehmen, gibt es jedoch nur langsam wieder ab. Er dient vor allem dem Schutz vor Verletzungen, Austrocknung sowie der Verteidigung.

Die Atmung erfolgt mit einem deutlich sichtbaren Atemloch, das in die Mantelhöhle („Lunge“) führt. Deren Wandung ist reich mit Sauerstoff aufnehmenden Blutgefäßen ausgestattet.

König unter Tausenden

Das schraubig gewundene Gehäuse der Weinbergschnecke besteht aus Kalk. Es ist meist schmutzig strohgelb bis dunkelbraun gefärbt und hat fast immer die Form einer rechtsgängigen Schraube. Nur bei etwa einem von 20.000 Exemplaren ist sie linksdrehend, diese Tiere nennt man „Schneckenkönig“. Der wissenschaftliche Gattungsname Helix bezieht sich auf die Schraubenform des Gehäuses.

Weinbergschnecken besitzen in den Enden der beiden langen, oberen Fühler je ein Auge, zudem kann die Schnecke damit riechen. Mit den unteren Fühlern tastet und schmeckt die Weinbergschnecke. Dabei sind die Sinneszellen nicht auf ein Organ beschränkt, sie finden sich auch am Kopfende des Tieres, ihre Anzahl nimmt zum Schwanzende hin ab.

Liebespfeile zur Stimulation

Weinbergschnecken sind Zwitter. Allerdings können sich die Schnecken nicht selbst befruchten. Es kommt zu einem Liebesspiel zwischen zwei Tieren, bei dem sich beide Schnecken – Fuß an Fuß – gemeinsam aufrichten. Dabei treiben sie sich gegenseitig etwa einen Zentimeter lange Liebespfeile in ihre Körper. Bedeckt mit einem stimulierenden Sekret steigert dies den Paarungserfolg. Vier bis sechs Wochen später legen die Schnecken 40 bis 60 weißliche Eier in eine selbst gegrabene Grube ab, die anschließend wieder verschlossen wird.

Standorttreuer Kulturfolger

Die wärmeliebenden Weinbergschnecken kommen in lichten Wäldern, Knicks oder Gebüschen mit kalkreichen, nicht zu trockenen Böden vor. Die Art ist aber recht anpassungsfähig und europaweit sehr verbreitet.

Historisch ist diese weite Verbreitung aber auch von Menschen besonders zur Bereicherung des Speiseplans, aber auch passiv durch Verschleppung sehr gefördert worden.

Den Winter verbringen Weinbergschnecken in Kältestarre, verkriechen sich in der Erde und ziehen sich in das Gehäuse zurück. Die Öffnung wird mit einem Kalkdeckel verschlossen, der im Frühjahr beim Ausschlüpfen abgestoßen wird. Bei starker Trockenheit und Wassermangel im Sommer können Weinbergschnecken auch in Trockenstarre gehen. Diese Fähigkeit wird beim Handel mit den Tieren genutzt. In Italien und Griechenland werden die Schnecken in große Behälter mit trockenen Eierteigwaren (Spirelli) gesetzt, beginnen dort von den trockenen Teigwaren zu fressen – und verdeckeln sich aufgrund des Wassermangels. In Säcke gefüllt sind sie nun über Monate lagerfähig und können in den Handel gebracht werden.

In Ruhe kriechen lassen

Weinbergschnecken sind in der Europäischen Union durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Anhang 5) und in Deutschland nach der Bundesartenschutzverordnung (Anlage 1) geschützt. Auch in Österreich und der Schweiz stehen die Weinbergschnecken unter Schutz. Schnecken im Lebensmittelhandel stammen daher heute meist aus der Zucht.


Kontakt

NABU Schleswig-Holstein
Carsten Pusch
carsten.pusch@nabu-sh.de
www.nabu-sh.de


Text & Fotos: Carsten Pusch