Hebamme Angela Hoof aus dem Eutiner Hebammenteam hat praktische Tipps gegen Schwangerschaftsübelkeit. Eine gut bewährte Methode: Akkupressur.

DIE ÜBELKEIT DES GLÜCKS: SCHWANGERSCHAFTS­ERBRECHEN

Ein flaues Gefühl im Magen, Übelkeit, Erbrechen: Das kennen vier von fünf werdenden Müttern. Übelkeit am Morgen ist ein typisches Schwangerschaftszeichen – ein normales, gesundes Zeichen für die Hormonumstellung. Mitverantwortlich für das Unwohlsein ist das Schwangerschaftshormon HCG, das vom Mutterkuchen, der Plazenta, gebildet wird. Manche Frauen reagieren darauf sehr empfindlich, andere weniger. Fast immer geht das flaue Gefühl nach einigen Wochen vorbei und die Übelkeit lässt nach. Nur bei der Hyperemesis gravidarum nicht. Das scheinbar pausenlose, übermäßige Erbrechen ist selten, kann eine Schwangerschaft jedoch zur Qual machen.

Die genaue Ursache von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft ist unklar. Es werden verschiedene Faktoren der umgangssprachlich genannten „Morgenübelkeit“ diskutiert. „Auch wenn das unangenehme Übelkeitsgefühl morgens am stärksten ist, verspüren viele Schwangere die Übelkeit den ganzen Tag“, erklärt Frank Liedke, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am AMEOS Klinikum Eutin. Etwa 80 Prozent aller Schwangeren leiden in der Frühschwangerschaft an Übelkeit und/oder Erbrechen. „Das beginnt meist in der 4. bis 9. Schwangerschaftswoche und bessert sich bei 50 Prozent der betroffenen Schwangeren bis zur 14., bei 90 Prozent bis zur 20. Schwangerschaftswoche. Nur bei etwa 5 Prozent der Frauen verschwinden die Beschwerden erst mit der Geburt“, weiß der erfahrene Gynäkologe Liedke und beruhigt: „Schwere Komplikationen für Mutter und Kind sind dabei allerdings sehr selten.“

Die Östrogenwirkung

Die Übelkeit wird wahrscheinlich von Schwangerschaftshormonen und den hormonellen Veränderungen ausgelöst: Erhöhte Werte der Hormone Östrogen und Beta-HCG sowie die dadurch eingeschränkte Beweglichkeit der Muskulatur des oberen Magen-Darm-Traktes. Aber auch eine Helicobacter pylori-Infektion, ein Vitamin-B-Mangel oder eine Schilddrüsenüberfunktion könnten Ursachen sein. Die früher verbreitete Annahme, Stress und Ambivalenz gegenüber der Schwangerschaft verursachen eine starke Übelkeit, konnte wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. Vermutlich reagieren Frauen mit übermäßigem Schwangerschaftserbrechen sensibler auf die Östrogenwirkungen als andere Schwangere.

Unter der extremen Form der Schwangerschaftsübelkeit, der Hyperemesis gravidarum, leiden nur etwa zwei Prozent aller Schwangeren. Wer bereits in früheren Schwangerschaften mit ständiger Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen hatte, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass auch bei weiteren Schwangerschaften diese Beschwerden wieder auftreten. Davon betroffen war auch die britische Prinzessin Kate – sie litt in allen drei Schwangerschaften an Hyperemesis gravidarium und musste sogar stationär im Krankenhaus behandelt werden.

Das ständige Erbrechen

Die Hyperemesis gravidarum kennzeichnet starke Übelkeit, ständiges Erbrechen (mehr als fünfmal pro Tag) und eine erhöhte Speichelproduktion, die den Allgemeinzustand der Schwangeren reduzieren. Wenn die Schwangere nicht in der Lage ist, zu essen und zu trinken, drohen Gewichtsverlust von mehr als 5 Prozent des Körpergewichtes, Störungen im Stoffwechsel sowie im Flüssigkeits-und Elektrolythaushalt. Hyperemesis gravidarum ist der häufigste Grund für einen stationären Krankenhausaufenthalt vor der 20. Schwangerschaftswoche. Dabei müssen andere Differentialdiagnosen abgeklärt und ausgeschlossen werden, „wie zum Beispiel eine Blinddarm-, Leber- oder Bauchspeicheldrüsenentzündung oder auch eine Essstörung“, ergänzt Chefarzt Liedke und erklärt: „Wir untersuchen im Blut die Mine30 ralstoffkonzentration, die Leber-, Nieren und Schilddrüsenfunktion und den Urin auf Ketonkörper. Mit einer Ultraschall-Untersuchung kontrollieren wir, ob eine trophoblastische Erkrankung erkennbar ist oder eine Mehrlingsschwangerschaft – beides Situationen, in denen viel ß-HCG produziert wird.“

Die erste Hilfe

Ein tiefer Blutzuckerspiegel begünstigt die Übelkeit, deshalb hilft es, sich abends vor dem Zubettgehen einen Zwieback, Toast, Knäckebrot oder eine Reiswaffel bereitzulegen und diese noch vor dem Aufstehen zu essen. Auch häufigere, kleinere Mahlzeiten sorgen für einen stabilen Blutzuckerspiegel und werden darum besser vertragen. „Wir können ja nur die Symptome lindern, die die Hormonveränderung der Schwangerschaft mit sich bringt“, erklärt die Hebamme Angela Hoof aus dem Eutiner Hebammenteam. „Und leider gibt es kein Allheilmittel, das allen Schwangeren hilft – es gilt immer, die Frauen individuell zu unterstützen und herauszufinden, was ihnen Erleichterung verschafft.“

Die Eutiner Hebamme hat bei starker Schwangerschaftsübelkeit gute Erfahrungen mit Akupressur: „Der Punkt Perikard 6 liegt auf der Innenseite des Unterarms drei Querfinger von der Beugefalte des Handgelenks zwischen den beiden gut tastbaren Sehnen. Drücken Sie an dieser Stelle – abwechselnd links und rechts für jeweils eine Minute – kräftig mit der Zeigefingerspitze.“

Aber auch Ingwerextrakte in Form von Tee, Pastillen, Bonbons oder Kapseln haben eine wissenschaftlich belegte lindernde Wirkung bei Schwangerschaftsübelkeit und -erbrechen. Hebamme Angela Hoof rät: „Ingwerwasser können Sie sich mit frischem Ingwer selbst herstellen, wenn Sie ihn gehobelt oder geraspelt mit kochendem Wasser überbrühen und etwas ziehen lassen.“

Auch ein Riechfläschchen mit ätherischen Ölen kann helfen. Hier ist es wichtig, dass Schwangere ihrer Nase folgen und sich den angenehmsten Duft aussuchen. Hebamme Hoof gibt dazu Tipps wie „Riechen Sie an einer aufgeschnittenen Zitrone, Mandarine oder Grapefruit!“

Arzneimittel gegen Übelkeit, Vitamine und Beruhigungsmittel können und sollten bei schweren Symptomen eingesetzt werden. „Die Datenbank Embryotox gibt Ärzten, Hebammen und Frauen Auskunft darüber, welche Erfahrungen mit einem Wirkstoff in Schwangerschaft und Stillzeit gemacht wurden“, informiert Chefarzt Frank Liedke. Allerdings sollten solche Medikamente nie ohne Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden. Sind die Beschwerden extrem stark, werden die Schwangeren stationär behandelt und bekommen dann Flüssigkeits- und Elektrolyt-Infusionen.


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