45 Jahre Stiftungsland!

Interview mit den Klimaretter*innen und Vielfaltschützer*innen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein


Frau Ojowski, Sie sind geschäftsführendes Vorstands­mitglied der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Was genau beinhalten die Aufgaben der Stiftung?

Um es auf den Punkt zu bringen: Unser Ziel ist es, die einzigartige und für uns alle lebenswichtige Natur im Land zwischen Nord- und Ostsee wiederherzustellen, zu schützen, zu bewahren. Dabei packen wir die beiden drängendsten Themen dieser Zeit an: den Klimaschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt. Das alles machen wir seit 45 Jahren. 1978 wurden wir sozusagen im Moor geboren – genauer gesagt im Delver Koog, mitten im Herzen von Schleswig-Holstein in der Eider-Treene-Sorge-Niederung. Dort starteten wir als Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein mit unserem ersten Hektar Land. Mittlerweile betreuen wir 38.500 Hektar mit mehr als 113 Mitarbeiter*innen. Alle brennen für ihre Aufgabe, sprühen nur so vor Elan, Leidenschaft und Tatendrang. Auch im Alter von 45 Jahren fehlt also von „Midlife-Crisis“ jede Spur!

Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Schleswig-Holstein ist nicht nur das Land der Meere, sondern auch der Moore. Diese Lebensräume sind letztlich auch für unser aller Überleben notwendig. Deshalb haben wir hier eine besondere Verantwortung übernommen. Wir verwandeln die im Zuge der Kulturgeschichte durch Land- und Forstwirtschaft in die Nutzung genommenen entwässerten, trockengelegten Moore zurück in intakte, nasse Moore – so werden sie wieder zu den weltweit größten und effektivsten Kohlenstoffspeichern an Land. Damit leisten wir einen großen Beitrag zum Klimaschutz und sind mit dem Landesprogramm „Biologischer Klimaschutz“ Pioniere in Deutschland. Das Besondere daran ist die Kombination aus Klimaschutz und Artenschutz. Durch die Wiederherstellung der Moore bieten wir nämlich auch vielen selten gewordenen und bedrohten Pflanzen, wie Sonnentau und Wollgras und Tieren wie Moorfrosch, Kreuzotter und vielen Libellenarten wieder ein zu Hause, einen Rückzugsort, einen Überlebensplatz. Alles Arten, die einen unersetzlichen Platz im Kreislauf der Natur haben. Übrigens: Seit Neuestem kehrt auch der Rothirsch – unser größtes Wildtier – zurück in die beschaulich-ruhig-friedlichen Moore.

Gibt es so etwas wie Erfolgsmeldungen?

Von rund 1,4 Hektar im Stiftungsland Delver Koog sind wir in 45 Jahren auf 38.500 Hektar Stiftungsland – so nennen wir die Flächen, die wir als Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein für den Naturschutz bisher sichern konnten – gewachsen, das sind rund zwei Prozent der Landesfläche. Wir haben vor über 20 Jahren die sogenannten „Wilden Weiden“ erfunden. Bei diesem Konzept geht es darum, dass Robust-Rinderherden – Galloways oder Highlands – als vierbeinige Landschaftspfleger die Flächen freihalten. Mit ihrem anhaltenden Appetit fressen sie – meist das ganze Jahr über – auf den Wiesen und Weiden der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und sorgen auf diese Weise dafür, dass auch konkurrenzschwache Wildpflanzen wie beispielsweise Arnika, Heidenelke, Wiesenschlüsselblume und Bergsandglöckchen genügend Sonnenlicht und Luft zum Wachsen haben. Wir haben landesweit zusammen mit der Straßenbauverwaltung die Grünstreifen entlang der Straßen, das sogenannte Straßenbegleitgrün, in Buntstreifen auf insgesamt 500 Kilometern verwandelt. Ganz aktuell haben wir zudem eines von vier bundesweiten Pilotprojekten zum Moorbodenschutz nach Schleswig-Holstein geholt: Hier erproben wir mit unserem Klimafarmprojekt, wie eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Bewirtschaftung von wiedervernässten Moorböden erfolgen kann und wie eine neue Wertschöpfung auf wiedervernässten Moorböden gelingen kann.

Welche Arten haben Sie schon vor dem Aussterben gerettet?

Wir retten ja niemals nur eine Art, sondern schaffen ein neues Zuhause für eine ganze Hand voll. Was ich damit sagen will: Wenn wir Lebensräume einrichten, wiederherstellen und sichern, profitieren davon ja immer ganz viele Pflanzen und Tiere. Nehmen wir beispielsweise die Verwandlung von einem ehemals Intensiv-acker hin zur wildbunten Vielfalts-WG. Mit den neu geschaffenen Teichen wandern bedrohte Amphibien wie Laubfrosch, Knoblauch- und Wechselkröte ein. Die neu gestapelten Steinhaufen und sandigen Stellen sind attraktiv für Zauneidechsen. Die vielen frisch gepfanzten, heimischen Wildpflanzen ziehen Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge an. Die Büsche, Bäume und Knicks werden von Spezialisten wie der Haselmaus bezogen und von selten gewordenen Vögeln wie Feldlerche und Braunkehlchen beflogen.

Um dennoch einzelne Arten zu nennen, so hat es der Goldene Scheckenfalter durch unser EU-gefördertes Artenschutzprojekt „LIFE Aurinia“ zurück nach Schleswig-Holstein geschafft, die Rotbauchunke quakt wieder hierzulande, die Zauneidechsenzahlen steigen und auch die Küchenschelle, eine seltene heimische Wildpflanze, die nur noch an einem einzigen Standort in ganz Schleswig-Holstein blühte, wurde dank des Einsatzes unserer Wildblumen- und Insektenretter*innen wieder übers Land verbreitet.

Ihre Vision?

Der Natur in Schleswig-Holstein einen größeren Stellenwert geben, ein breites Bewusstsein für den Schutz dieser einzigartigen Schönheit zu schaffen und letztlich ein partnerschaftliches Verhältnis von Natur und Mensch wiederherzustellen.

Ute Ojowski
Geschäftsführendes Vorstands­mitglied
Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein


Spendenkonto

Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein
DE16 4306 0967 1007 0070 00
GLS Gemeinschaftsbank eG
www.stiftungsland.de


Text: Jana Schmidt, Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein
Fotos: Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein